4.2. Intrinsische und extrinsische Motivation

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Sind Sie motiviert, sich mit einem fiktiven Dialog zwischen einem Arzt und einem Patienten zu befassen? In zahlreichen Lehrwerken findet man einen ähnlichen Dialog, wie der folgende:

iDevice ikon Ein Termin beim Arzt
„Ein Termin beim Arzt 

11 Bei der Ärztin.
a) Was hat Tom Miller? Hören und lesen Sie.

"Ärztin: Guten Morgen, Herr Miller. Na, was fehlt Ihnen?
Tom: Mein Kopf tut weh, meine Augen sind rot und ich habe Schnupfen. Vielleicht eine Erkältung?
Ärztin: Mal schauen, machen Sie bitte den Mund auf. Ja, der Hals sieht gut aus. Danke. Jetzt machen Sie bitte den Oberkörper frei. Atmen Sie tief ein und aus ... Nein, eine Erkältung haben Sie nicht. Wie lange haben Sie die Probleme schon?
Tom: Seit zwei Wochen. Zuerst war es nicht so schlimm, aber jetzt ....
Ärztin: Vielleicht ist es eine Allergie. Wir müssen einen Test machen. Bitte nehmen Sie noch einen Moment im Wartezimmer Platz [...] " (Ja genau! 2010: 49).


Die Antworten auf die Frage, ob man in der Deutschstunde mit Interesse den obigen Arzt-Patient-Dialog mitliest, sind bestimmt nicht einheitlich. Was bedeutet überhaupt motiviert im Unterricht zu sein? Wie kann man den Zustand des Motiviert-Seins beschreiben? Ganz allgemein ist Motivation eine positive Einstellung, die man gegenüber Aktivitäten im Unterricht einnimmt. Wie verhält sich eine motivierte Person? Wir, also Lehrperson und Lerner, sind im Unterricht „dann motiviert, wenn
- wir uns in eine Aktivität vertiefen können,
- wir dabei voll konzentriert sind,
- wir genau wissen, was wir tun wollen,
- wir wissen, wie gut wir die Aufgabe bewältigen,
- wir keine Angst vor dem Versagen haben,
- alltägliche, hemmende Selbstzweifel vergessen sind,
- die Zeit wie im Flug vergeht"
(Krenn 2007: 17).

 

Ist also bei der Behandlung des Arzt-Patienten-Dialogs mit einer motivierten Haltung der Lerner zu rechnen? Diese Entscheidungsfrage wird vermutlich sowohl mit „ja“ als auch mit „nein“ beantwortet werden.

Es gibt durchaus Lerner, die bereit sind, solche fiktiven Dialoge als Input zu akzeptieren und sich bei der Bearbeitung des Dialogs sprachliche Phänomene anzueignen. Diese Lerner kann man als intrinsisch motiviert bezeichnen, wenn sie von sich aus Interesse zeigen, solche Dialoge im Klassenraum nachzuspielen und dabei sprachliches Wissen zu erwerben. Sie sind daran interessiert Vokabeln und Konstruktionen zu erschließen und haben Freude daran, wenn ihnen das gelingt. Andere Lerner behandeln solche Texte, jedoch erst durch äußere Zwänge, die die Lehrperson oder die Eltern ausüben. Sie führen die Aufgaben, die der Lehrer stellt, zwangsläufig durch. Oder sie arbeiten im Unterricht mit, da sie den Erwartungen ihrer Eltern entsprechen wollen. Sie sind also extrinsisch motiviert. Die beiden Motivationstypen kommen in der Praxis nicht unbedingt in Entweder-Oder-Form vor, sondern sie können auch ineinander übergehen. Lerner, die vorwiegend das Lob der Lehrperson mit ihrer Leistung verdienen wollen ─ extrinsische Motivation ─, sehen ein, dass z. B. Dialoge nachzusprechen, eine effektive Übung ist ─ intrinsische Motivation ─  und machen  interessiert mit.

Schon der kurze Einstieg in die Thematik zeigt, dass Motivation nicht leicht fassbar ist. „In der Psychologie werden gegenwärtig mehr als zwanzig umfassende Motivationstheorien diskutiert“ (Dörnyei 2001: 9, nach Krenn 2007: 19), die wir hier natürlich nicht alle ansprechen können. Wir beschränken uns an dieser Stelle lediglich auf die Auflistung wichtiger Faktoren, die für die Bereitschaft, Aktivitäten im Sprachunterricht durchzuführen, ausschlaggebend sind (siehe Tabelle 1).  Einige Elemente der Motivation, wie Signifikanz und Lernbewusstheit werden im Abschnitt 4.3 etwas ausführlicher besprochen. Bevor Sie sich der Tabelle 1 widmen, überlegen Sie welche inneren und äußeren Faktoren die Motivation des Lerners beeinflussen.

 

iDevice ikon Aufgabe 1
Listen Sie Motivationsfaktoren auf. Welche Faktoren beeinflussen die Bereitschaft der Lerner, Aktivitäten im Unterricht mitzumachen?

iDevice ikon Aufgabe 2

Unterstreichen Sie in der Tabelle 1 jene Faktoren, die Sie in der Aufgabe 1 angeführt haben. Die Formulierung muss natürlich nicht unbedingt dieselbe sein.

interne Faktoren

externe Faktoren

1) Intrinsisches Interesse an der Aktivität

- Neugier (+)

- optimaler Grad der Herausforderung (knapp über dem derzeitigen Kompetenzniveau) (+)

- Leistungsbedürfnis

1) Signifikante Bezugspersonen

- Eltern

- Lehrperson: Unterrichtsstil

- Mitschüler

2) Eindruck über den „Wert" der Aktivität

- die Aktivität hat persönliche Relevanz (+)

- eingeschätzter Wert der Ergebnisse ist hoch (+)

2) Die Art der Interaktion mit Bezugspersonen

- Lernerfahrungen mit Reflexionen

- Quantität und Qualität der Rückmeldungen

- Art und Umfang von Lob

- Bestrafung, Sanktionen

- Beziehungsverhältnisse

3) Einschätzung des Ablaufs einer Aktivität

- Funktion der Aktivität ist nachvollziehbar für den Lerner (+)

- Lerner hat Kontrolle über den Ablauf der Aktivität (+)

- Lerner verfügt über die Fähigkeit, geeignete und realistische Ziele zu definieren (+)

3) Lernumgebung

- Lehrplan

- Lehrbuch

- Thema

- Lehrmethode

- Ziele

- Klassen- und Schulgröße

- Klassen- und Schulethik

- Gruppendynamik

- Tageszeit, Wochentag, Jahreszeit

4) Bewältigung einer Aktivität

- Lerner hat Gefühl für die eigene

Kompetenz (+)

- Lerner hat Gefühl für die Entwicklung von Kompetenz hinsichtlich wichtiger Fertigkeiten (+)

- Lerner hat Gefühl für die Wirksamkeit der eigenen Performanz (+)

4) Erweiterter Kontext

- familiäres Netz

- Erziehungssystem

- kulturelle Normen

- gesellschaftliche Erwartungen und Einstellungen

- Medien

5) Selbsteinschätzung

- Lerner hat eine realistische Einschätzung der persönlichen Stärken und Schwächen hinsichtlich der erforderlichen Fertigkeiten (+)

- Erfolg und Misserfolg wird beeinflussbaren Faktoren zugeschrieben (+)

- hohes Selbstwertgefühl (+)

- erlernte Hilflosigkeit (─)


6) positive Einstellungen

- in Bezug auf Fremdsprachenlernen generell (+)

- hinsichtlich der Zielsprache (+)

- hinsichtlich der Gesellschaft und Kultur der Zielsprache (+)


7) weitere affektive Komponenten

- ausgeprägtes Selbstbewusstsein (+)

- Nervosität, Angst (─)


8 Alter und Entwicklungsstand


Tabelle 1
Faktoren für die Motivation im Sprachunterricht
(+: motivationsfördernder Faktor, ─: Motivationsbarriere)
(nach Krenn 2007: 18-19 und Dörnyei 1996: 13)