4.4. Motivierungsstrategien für den Unterricht

4.4.1 Lernziele exakt formulieren

Eine mögliche Motivierungsstrategie ist im Zusammenhang mit der Lernbewusstheit, dass die Ziele der einzelnen Lektionen, Stunden oder Aktivitäten explizit angegeben werden. Der Lerner erfährt die Funktionen der Aktivitäten und so kann er sie als sinnvolle Tätigkeiten akzeptieren, als eigene Lernziele betrachten. Er weiß, was er warum übt. Unterrichtsmaterialien, die die Lernbewusstheit der Lernenden als Motivationsfaktor berücksichtigen, führen bereits vor der Aufgabenstellung das Ziel an. Ziele werden also nicht nur implizit in Titeln und Aufgabenstellungen erfasst, sondern explizit angeführt. Diese Auffassung zeigt uns exemplarisch das siebte Kapitel in „Cool-Tour-Hauptstädte Kapitel. Vor dem Durchführen der Aktivität erfährt der Lerner in der genauen Zielangabe, dass er in den Aufgaben Vokabeln zu türkischen Baudenkmälern kennen lernt (siehe Horváth 2010: 42-43)

4.4.2 Motivierende Texte im Unterricht

Aus der Tabelle im Abschnitt 1 geht eindeutig hervor, dass Motivation ein komplexes Phänomen ist. So ist das Ziel des Unterrichtes, sie positiv zu beeinflussen, auch nicht einfach zu erreichen. Welche Möglichkeiten stehen der Lehrperson zur Verfügung, intrinsisches Interesse der Lerner an der jeweiligen Aktivität zu wecken? Da der Unterricht in der Regel textbasiert ist, kann man diese Frage auf die Textauswahl eingrenzen. Welches Motivierungspotenzial haben Texte? Genauer gefragt, welche Texte sollten angeboten werden, wenn wir wissen, dass im Klassenzimmer nicht nur intrinsisch motivierte Lerner sitzen. Auch jene Lerner wollen wir mit dem Text ansprechen, die linguistisch durchaus begründete Dialoge zu wenig zum Lernen verwenden. Wie kann man sie zum aktiven Lernverhalten bewegen?

Welche Ratschläge können uns Bezugswissenschaften bei dieser Frage geben? Die Lernpsychologie schlägt vor, interessante Texte als Input im Sprachunterricht einzusetzen. Bei interessanten Texten entwickelt nämlich der Lerner das Bedürfnis, den Text verstehen und sich darüber äußern zu wollen. Das ist deshalb besonders wichtig, weil Spracherwerb im Verstehensprozess und in Äußerungen stattfindet (Butzkamm 1993: 3).

Was macht jedoch Texte spannend? Die Interessen sind bekanntlich alles andere als einheitlich und die Lernergruppen bestehen aus mehreren Individuen mit verschiedenen Vorlieben. Gibt es Interessengebiete für die einzelnen Altersgruppen? In der Lernpsychologie versucht man welche herauszufinden. In Bezug auf Kinder hat man ermittelt, dass sie gern Geschichten hören und meistens motiviert sind, die Lehrperson nachzuahmen sowie Geschichten nachzusprechen. Jugendliche sind gut auf überraschende, neue Inhalte und ungewöhnliche Themen zu sprechen. Lehrwerkautoren, die diese Erkenntnisse in der Textauswahl zu berücksichtigen versuchen, haben es nicht einfach. Besonders schwierig ist es auf den Niveaustufen A1-A2, auf denen der Wortschatz noch sehr gering ist, den Kindern authentische Geschichten oder Jugendlichen etwas Außergewöhnliches zu erzählen, ihnen interessante Neuigkeiten zu vermitteln. Ein gutes Beispiel für das Bestreben, lernpsychologisch begründete Texte in Lehrwerken aufzunehmen, ist der folgende Ausschnitt aus dem Lehrwerk „Ideen 1" (S. 26-27). Außergewöhnliche Kurzaufnahmen aus dem Leben von Jugendlichen aus unterschiedlichen Ländern machen das Thema „Tagesordnung" attraktiv.

Ideen 1 Seite 26 und Seite 27. Klicken Sie auf die Bilder zu vergrößern!

Erkenntnisse der Forschung haben also in der Praxis zur Folge, dass nicht nur linguistisch relevante, sondern auch psychologisch begründete also den Lerner inhaltlich ansprechende Texte im Unterricht bearbeitet werden. In der Lernpsychologie geht man davon aus, dass diese besonders motivierend wirken. Informationen, die man im Zustand des Motiviert-Seins aufnimmt, werden nachhaltig im Gedächtnis gespeichert. Die experimentelle Psychologie hat ermittelt, dass wir uns Informationen dreifach einprägen: sprachlich, visuell und affektiv. Affektiv positiv besetzte Informationen behalten wir besser (Vygotskij 1974). Daraus lässt sich schließen, dass es auf das Behalten positiv wirkt, wenn Gefühle und Interessen der Lerner angesprochen werden. Bezugswissenschaften postulieren also, dass inhaltlich relevante Texte oder ungewöhnliche Textpräsentationen das Einprägen sprachlicher Strukturen ins Gedächtnis verstärkt fördern.
 
Da jedoch die Interessen auseinandergehen, wäre ein lernerzentrierter Unterricht mit individueller Betreuung die Lösung, die man im Klassenunterricht schwierig, mit viel Vorbereitungsarbeit verwirklichen kann. Auch Lehrwerke können individuelle Interessen nicht berücksichtigen, da sie nicht für eine konkrete Lerngruppe konzipiert sind. Alternative Methoden, wie z. B. Waldorfschulen setzen bekanntlich auch keine Lehrbücher ein. Jeder Lerner erstellt sein persönliches Lehrbuch mit für ihn relevanten Texten (Hevesi 2004: 128). Im Unterricht mit Lehrbüchern hat man weniger Freiheit. Immerhin besteht die Möglichkeit, zu versuchen, die Lernerzentrierung durch bestimmte Ergänzungsmaterialien zu verwirklichen. Die Berücksichtigung individueller Interessen ist eine entscheidende Voraussetzung für die Binnendifferenzierung.