12.4.2. Konstruktivismus
Die kognitive Psychologie geht davon aus, dass der Mensch ein autonomes kognitives System darstellt, das Informationen aus der Umwelt aufnimmt und in kognitive Strukturen umwandelt. Lernen ist dabei ein Prozess der Wissensorganisation bzw. Wissensintegration: der Lerner integriert neue Informationen in sein vorhandenes Wissenssystem, das so umstrukturiert wird, dass die neuen Wissensbestände jederzeit effektiv abgerufen werden können. Informationsverarbeitung wird dabei als ein Prozess der Konstruktion verstanden, an dem zwei Faktoren beteiligt sind: Input (Reize) aus der Umwelt und vorhandenes Wissen. Die kognitivkonstruktivistische Lerntheorie betont das Zusammenspiel zwischen dem neuen Input und dem vorhandenen Wissen: Realität (Umweltreize) wird nicht schlicht „eins zu eins“ in unserem kognitiven System abgebildet, sondern wird abhängig von bereits vorhandenem Wissen subjektiv konstruiert.
Den Konstruktivismus kennen wir bereits als eine Kunstrichtung. Sie ist eine Bewegung innerhalb der abstrakten Kunst. Harmonische Strukturen werden mit Hilfe geometrisch-abstrakter Formen aufgebaut (siehe z. B. ein Esher-Bild).
Der Konstruktivismus als eine Erkenntnistheorie betont, dass es keine objektive Realität gibt, sondern das, was die Menschen von der Welt wahrnehmen ihre eigenen Konstruktionen sind.
Menschliches Lernen wird als ein konstruktiver Prozess aufgefasst, in dem Lernende aktiv neue Informationen mit bereits vorhandenem Wissen verbinden. Der Konstruktionsprozess baut auf dem individuellen Wissen auf und führt deshalb für die einzelnen Lerner jeweils zu individuell unterschiedlichen Ergebnissen. Lernen wird in diesem Sinne nur in Eigenverantwortung durchgeführt. Die Lernergebnisse können je nach Vorkenntnissen und Beobachtungsintensität ganz unterschiedlich sein (siehe z. B. in google Bilder „Kelch und Profile“).
Der Konstruktivismus als Lerntheorie nimmt Folgendes an: Das Lernen ist ein kreativer, aktiver und individueller Prozess. Der Gegenbegriff zum Konstruktivismus ist der Instruktivismus. Im Sinne vom Instruktivismus ist Lernen ein von außen steuerbarer, rezeptiver Prozess. Lernende in ähnlichen Lernsituationen durchlaufen ähnliche Lernprozesse.
In der Fremdsprachendidaktik wird fremdsprachliches Lernen als ein Wissenskonstruktionsprozess verstanden. Die folgenden drei kognitiv-konstruktivistische Grundprinzipien werden in der Fremdsprachendidaktik heute zur Diskussion gestellt:
- die Selbstverantwortlichkeit des Lernenden
- die Relevanz der reichen Lernumgebung
- das Lernen als Lerngegenstand im Unterricht thematisieren.