1.4. Aufgaben- und Handlungsorientierung

Mit den Begriffen „Form- und Inhaltsorientierung" werden die Aktivitäten im Unterricht aus der Perspektive der Sprache betrachtet. Spricht man über die „Personalisierung" der Aufgabe, nimmt man den Blickwinkel des Lerners ein. Personalisierte Aufgaben bieten dem Lerner reichlich die Möglichkeit an, über sich selbst zu sprechen. Eine dritte Betrachtungsweise einer Aktivität im Unterricht fokussiert auf die Aufgabenstellung. Aus der Sicht der Aufgabenstellung kann die Aktivität ein rein formbezogenes Üben sein oder eine handlungsorientierte Tätigkeit. Im sogenannten „aufgaben- und handlungsorientierten Ansatz" lösen die Lerner realitätsnahe oder echte Situationen in der Fremdsprache. Sehen wir uns die folgende Aufgabenstellung unter dem Aspekt der Handlungsorientierung an:

„ Romantik hinter alten Mauern
Der Burgherr Graf von Falkenstein ist in Geldnot. Deshalb möchte er seine Burg an Touristen vermieten. Er wendet sich an das Fremdenverkehrsamt. Sie arbeiten beim Fremdenverkehrsamt und bekommen den Auftrag, einen interessanten Werbetext für einen Burgurlaub zu entwerfen. Der Text soll den Leser dazu animieren, ihren Urlaub auf der Burg zu verbringen. Finden Sie auch eine Überschrift, die Appetit auf einen Bergurlaub macht."
(„Deutsch perfekt im Unterricht" November 2005 S. 4 )

Wir sehen, dass in der Schreibaufgabe der Lerner die Rolle eines Angestellten im Fremdenverkehrsamt übernimmt und so das Problem eines Burggrafen löst. Im handlungsorientierten Ansatz wird also das Üben sprachlicher Phänomene in sprachliches Handeln integriert. Dieser Ansatz geht davon aus, dass es effektiv ist, sprachliche Formen konsequent in lebensnahen Situationen zu trainieren. Das Üben von sprachlichen Formen wird also in mögliche Situationen eingebettet. Mit der Aufgabenstellung

- Beschreibe deinen Weg in die Schule!-

haben wir keine echte oder mögliche Situation, sondern eine Anweisung zum formorientierten Üben angegeben. Der Vorteil ist zwar, dass der Schüler über etwas spricht, was er tagtäglich tut. Der Schulweg ist in Bildern in seinem mentalen Lexikon fest gespeichert. Warum soll er jedoch seinen Schulweg verbal beschreiben? Um ihm transparent zu machen, wozu er Wegbeschreibungen im realen Leben gebrauchen kann, wird die Übung in eine mögliche Situation „verpackt". Eine mögliche handlungsorientierte Aufgabenstellung lautet wie folgt:

- Deine Familie ist umgezogen. Lade deinen Freund ein. Beschreibe, wie er die neue Adresse findet und erkläre ihm, dass du dich über seinen Besuch freust. -

In dieser Aufgabe ist das Üben der Wegbeschreibung in eine für den Lerner vertraute Situation gestellt: man zieht um, der Freund kennt die neue Wohnung noch nicht. So muss man ihm erklären, wie er uns findet. Die Aufgabenstellung veranlasst das Üben der Wegbeschreibung und zeigt gleichzeitig eine mögliche Funktion dieser Beschreibung in einem realen Kontext. Wir müssen uns jedoch nicht nur auf mögliche Situationen beschränken. Künstliche Situationen lassen sich im Unterricht auch durch echte Gespräche ergänzen oder ersetzen. Wenn der Unterrichtsstoff also Wegbeschreibung ist, können sich Lerner in Partnerarbeit z. B. folgende echte (authentische) Fragen beantworten:

  • Führt einen Dialog darüber, wohin ihr nach der Schule geht, wie ihr dahin kommt.
  • Beschreibe den Weg, wohin du nach der Schule gehst! Dein Partner hat die Aufgabe, dein Ziel zu erraten.

Wir können die Lerner auch dazu ermutigen, das Vokabular der Wegbeschreibung in echten Situationen, außerhalb des Unterrichts zu üben. Eine Möglichkeit ergibt sich, wenn Lerner unterwegs sind und auf unsichere Ausländer eventuell mit einem Stadtplan in der Hand treffen. Wenn Lerner den Mut haben, sie auf Deutsch anzusprechen, kann es zu einem Dialog über Wegbeschreibung kommen.

Die Unterrichtspraxis bietet uns Möglichkeiten zum echten Gespräch und zu handlungsorientierten Aufgaben sowie zum formbezogenen Üben. Die Frage stellt sich für die Lehrkraft, in welchem Anteil er diese Formen in der Stunde einsetzen soll. Der GeR empfiehlt nicht nur formbezogen zu üben, sondern auch viele handlungsorientierte Aufgaben zu stellen und echte Gespräche zu führen. In den folgenden Aufgaben besteht die Möglichkeit zur Unterscheidung von formbezogenem Üben, handlungsorientierten Aktivitäten und authentischen Gesprächen.