7.3.1. Paralleltexte vergleichen
Das
Argument, dass Texte, die als Impulstexte zum Schreiben fungieren, nicht
gründlich interpretiert werden, ist m. E. etwas schwach. Selbständiges
Schreiben anhand eines Textes setzt
voraus, dass man sich mit dem Text im Vorfeld ernsthaft auseinandersetzt. Auch
traditionelle Übersetzungsaufgaben erfordern zweifelsfrei eine intensive Textarbeit. Denn ohne einen Text zu deuten und zu
verstehen, kann man kaum eine gute Übersetzung liefern. Lerner, die gern durch
Übersetzung ihr Textverständnis unter Beweis stellen wollen, haben die
Möglichkeit dies immer wieder auch außerschulisch zu tun. Eine Möglichkeit
bietet z. B. die Fremdsprachige Landesbibliothek (Országos Idegennyelvű
Könyvtár). Sie schreibt einen Preis für die Übersetzung literarischer Texte für
nicht professionelle Übersetzer aus. Jan Wagners Gedicht „Quittenpastete”
wurde 2010 als Übersetzungsaufgabe gestellt:
Aufgabe 9: Gedichtübersetzung
Wenn Sie gern übersetzen, können Sie einen Versuch zur „Quittenpastete” unternehmen:
http://www.oik.hu/meghivok/2010/20100924_oiknap/muforditas_2010/muforditas_2010.htm
Übersetzungsaufgaben
sind jedoch in der heutigen Fremdsprachendidaktik umstritten. Während sie in der
GÜM prototypische Übungen waren, sind sie zurzeit eher rar in den Lehrwerken. Didaktiker,
die sich gegen Übersetzungsaufgaben aussprechen, argumentieren mit der
Effizienz des einsprachigen Unterrichts. Es gibt auch die Auffassung, dass
Übersetzung als die sechste Fertigkeit (neben Sprechfertigkeit,
Schreibfertigkeit, Leseverstehen, Hörverstehen, Sehverstehen) im Unterricht unbedingt geschult werden
sollte. Übersetzungsaufgaben werden als Mittel zur Erkennung von
Interferenzfehlern angesehen. Der GeR spricht sich eindeutig für die Relevanz
der Übersetzungskompetenz aus und erweitert dadurch die kommunikativen Ziele
des Fremdsprachenunterrichts. Fremdsprachensprecher
sollten in die Lage versetzt werden, als Mittler zwischen Bürgern zu fungieren, die die jeweilige Fremdsprache
nicht beherrschen (GeR 2001: 91). Um dieses Ziel zu erreichen, macht sich die
Tendenz in der Didaktik bemerkbar, dass Sprachmittlung (auch Mediation genannt)
und Übersetzung von einander abgehoben werden. „Sprachmitteln liegt vor, wenn
in alltäglichen Situationen in Gesprächen zwischen Personen, die einander
mangels gemeinsamer Sprache sonst nicht verstehen können, ein Dritter (oder
eine Dritte) ad hoc dolmetscht, der (oder die) die jeweiligen Sprachen mehr
oder weniger gut beherrscht, und eine nur sinngemäße Wiedergabe des Gesagten
ist gewöhnlich ausreichend“ (Knapp 2006: 175).